Ein ganz besonderes Seminar für Freiwillige in FSJ/BFD

Die Zeitzeugin Liesel Binzer erzählte in einem Seminar jungen Menschen eindrucksvoll von ihren Erlebnissen im Konzentrationslager Theresienstadt. Für viele Freiwillige der Behindertenhilfe Offenbach war es das erste Mal, dass sie mit einer Zeitzeugin persönlich sprechen konnten.

Liesel Binzer, 84 Jahre alt, berichtet Freiwilligen der Behindertenhilfe Offenbach aus ihrem Leben. Dass sie dies tun kann, grenzt an ein Wunder. Als sie fünf Jahre alt war, deportierten die Nazis sie und ihre Eltern aus Münster in das Konzentrationslager Theresienstadt. Von den 15.000 Kindern, die in den Kriegsjahren dorthin kamen, überlebten nur 150. Bis zur Befreiung 1945 lebte Liesel im Konzentrationslager und wusste nicht, ob sie ihre Eltern je wiedersehen würde, von denen sie direkt bei der Ankunft in Theresienstadt getrennt wurde.

„Die drei Jahre im KZ haben mich geprägt und verfolgt“, erzählt sie. Nach dem Krieg wollte sie diese Zeit hinter sich lassen und sprach und erzählte auch ihren drei Kindern später lange nichts von ihrer Kindheit „in der Hölle“. Das änderte sich vor einigen Jahren. An ihrem eigenen Schicksal und dem ihrer Familie will sie zeigen, wozu Rassismus und Antisemitismus führen können: „Mein Vater hatte zehn Geschwister, meine Mutter zwei Schwestern. Von meinen zwölf Tanten und Onkel wurden neun von den Nazis umgebracht. Auch mein Cousin hat Auschwitz nicht überlebt. Und das nur, weil sie jüdisch waren.“

Liesel Binzer hat ein trauriges Geschenk aus dieser Zeit bis heute aufgehoben: Den Teddybär eines Kindes aus dem KZ Theresienstadt, den seine Mutter ihr nach dessen Tod schenkte. Mit solchen Erzählungen macht sie das unvorstellbare Grauen nahbar für die Freiwilligen der Behindertenhilfe Offenbach. An Schulen in Offenbach und ganz Deutschland hat Liesel Binzer schon Vorträge gehalten: „Wenn ich dazu beitragen kann, dass durch meine Erzählungen einige Schülerinnen und Schüler aufstehen und dagegenhalten, wenn rassistische Parolen kommen, dann hat es sich schon gelohnt.“

Claudia Kamer ist Koordinatorin für die Seminare, die den Horizont der Freiwilligen erweitern und sie in ihrer Persönlichkeit stärken sollen. Sie ist froh über das Seminar mit Liesel Binzer: „Das Gespräch mit einer Zeitzeugin war für viele Freiwillige eine einmalige Erfahrung.“

Auch die Freiwilligen danken Liesel Binzer dafür, dass sie mit ihnen über ihre Erlebnisse gesprochen hat. „Das Gespräch hat uns berührt und auch Betroffenheit ausgelöst.“, erzählt ein Freiwilliger. Eine Freiwillige ergänzt: „Für uns alle war es etwas anderes, von einer Zeitzeugin über das Thema zu hören als in der Schule oder durch andere Medien. Es war ein ganz besonderes Seminar.“