Presse-Artikel: „Wir bekennen: in unseren Therapiezentren gibt es Bällebäder!“

Im Heft #93 von „autismus“ vom 1. Juni 2022 erschien ein Artikel über die Nutzung von Bällebädern in der Autismus-Therapie, den die Gesamtleitung unseres Autismus-Therapieinstituts Langen mit der Fachgruppe Therapie im Bundesverband Autismus Deutschland e.V. verfasst hat:

„In jüngerer Vergangenheit ist offensichtlich in universitärer Umgebung eine Diskussion zum Sinn und Zweck von Bällebädern in der Autismustherapie entfacht.

Als Ergebnis daraus wird wiederholt in Fachveranstaltungen die Verwendung von Bällebädern als Beispiel dafür herangezogen, dass die ATZs in Deutschland – insbesondere solche in Trägerschaft von Elternvereinen unter dem Dach von autismus Deutschland e.V. – an evidenzbasierten Erkenntnissen in der Autismustherapie vorbei agieren würden.

Wir möchten hiermit öffentlich bekennen: auch in unseren Therapiezentren gibt es ein Bällebad! Würde uns jemand aus den medizinischen Fachgesellschaften dazu fragen, welchen Sinn und Zweck ein solches in der Autismustherapie erfüllen kann, würden wir folgendermaßen antworten: Zugang zu uns haben alle Kinder, Jugendliche und Erwachsene im AS, unabhängig von Entwicklungsalter, Intelligenzniveau und Ausmaß an stereotypen und repetitiven Verhaltensweisen. So gibt es Klient:innen, die kaum aktiv ihre Umgebung erkunden, sich nicht aktiv mit Spielmaterial beschäftigen und/oder über wenig Möglichkeiten verfügen, Spannungen abzubauen.

Oft ist der Zugang zu solchen Klient:innen zunächst nur über körperbasierte/motorische Angebote möglich. Das Bällebad bietet eine Möglichkeit – von vielen! – auf sensorischer/sensomotorischer Ebene einen Zugang zum Gegenüber herzustellen. Körperbezogene und motorische Aktivitäten können Menschen im AS auch dabei unterstützen, sich emotional zu regulieren. Ist beides gelungen, gibt es weiterhin eine Fülle an Möglichkeiten, mit und in diesem Medium auf verschiedenen Handlungsebenen Ziele wie geteilte Aufmerksamkeit, wechselseitige Interaktion, Ich-Du-Differenzierung, Differenzierung des Körperschemas, Sprachanbahnung, Erwerb von Farbschemata, Zahlenschemata etc. …. zu verfolgen. Unzweifelhaft ist, dass Menschen im AS mit stark ausgeprägter geistiger Behinderung viel langsamer Entwicklungsfortschritte erzielen als Klient:innen mit hohem Funktionsniveau.

So kann es schon mal sein, dass wir mit einem Klienten/einer Klientin auch längere Zeit im Bällebad verbringen. Ein Medium/Material ist also nie Selbstzweck, sondern erfüllt eine Funktion in der Therapie. Eine solche kann auch sein, eine stressfreie, entwicklungsfreundliche Umgebung herzustellen. Zweifelsfrei gilt es gerade bei Menschen mit sehr ausgeprägten Stereotypien und Ritualen immer zu reflektieren, ob Rituale, die durchaus auch im therapeutischen Handeln mit Menschen im AS entstehen können, noch entwicklungsfördernd sind. Dies geschieht regelmäßig in Zusammenarbeit mit dem Umfeld und im interdisziplinären fachlichem Austausch in Intervision und Supervision. Zudem werden in jährlichen Berichten Therapieverläufe beschrieben, Zielsetzungen bei Weiterführung der Therapie mit den Bezugspersonen definiert und vom Leistungsträger überprüft.

Noch zur Klarstellung: pro 100–150 Klienten gibt es maximal ein Bällebad. Darin sitzen aber nie alle gleichzeitig. Aus der daraus resultierenden vergleichsweise doch eher geringen Stichprobengröße und in Verbindung mit dem Oben gesagten, stellt sich uns die Frage, ob es nicht doch validere Indikatoren zur Beurteilung der Qualität der Arbeit in den ATZ geben könnte, als die mittlere Verweildauer in einem Bällebad.“